Kapitel 2.4
Madame du Barry
Ihr Berater, der Comte de Mercy, warnte die junge Dauphine stets vor dem schlechten Einfluss der Tanten. Zu sehr wirkten diese auf das Verhalten Marie Antoinettes ein.
Die Mesdames hassten Österreisch grundsätzlich und Marie Antoinette ahnte nicht, dass die Tanten sie nur für ihren Kleinkrieg gegen die Mätresse des Königs, die
Comtesse Jeanne du Barry, einsetzen wollten. Der Hass der Tanten auf die du Barry war stärker als ihr Hass auf Österreich und so zogen sie die junge Antoinette schnell als mächtige Feindin der Gräfin auf ihre Seite.
Als Madame du Barry im Dezember 1770 beim König die Entlassung Choiseuls durchsetzte, war der Skandal perfekt, immerhin war Choiseul Antoinettes Verbündeter und zugleich der, der ihre Heirat arrangierte.
Von nun an mißbilligte Antoinette die Mätresse öffentlich durch Schweigen und schwor, nie auch nur ein Wort an diese zu richten.
Viele Historiker beschreiben die Comtesse als fiese Intrigantin, die aus reiner Eifersucht und Boshaftigkeit auf die Dauphine ihre hinterlistigen Netze spannte.
Der König blühte in Gegenwart Marie Antoinettes förmlich auf, gestattete ihr alles, was sie wollte, ja er war regelrecht vernarrt in die kleine Enkelin. Dies habe - laut Historikermeinung - der Madame du Barry derart missfallen, dass sie bewusst für Zwist sorgte, um den König glauben zu machen, die Dauphine möge ihn nur oberflächlich. In Anwesenheit des Königs habe sie alles an Marie Antoinette kritisiert: ihr Gesicht, ihr Haar, das nicht blond (wie ihres), sondern rötlich sei, ihre Jugendlichkeit, ihre Gewohnheiten, ihre Worte, ihre Unschuld und sämtliche Tugenden. Zudem habe sie den König wissen lassen, die Dauphine hätte sich bei ihrer Mutter über die Anwesenheit der Madame du Barry in La Muette (am 15.05.1770) beschwert.
Dies alles wiederrum habe den König derart enttäuscht, dass er sich allmählich von Marie Antoinette zurückzog. Und Madame du Barry konnte schließlich jubeln, als der König verbittert gesagt haben soll: "Ich weiß es sehr wohl, dass die Dauphine mich nicht liebt."
Ich selbst bin der Ansicht, dass man es sich hier sehr leicht macht, indem man sich auf die Seite der Marie Antoinette stellt und durch das verzerrte Darstellen der Comtesse auf deren Kosten einen spannenden Gegenpol schaffen will. Eine Mätresse bietet sich eben wunderbar als die böse, verdorbene Hexe an, wenn auf der anderen Seite die unschuldige Dauphine als guter Engel steht. Dass Marie Antoinette jedoch selbst starrsinnig war und ihre Vorrangstellung bei Hofe bewusst nutzte, um die du Barry zu ärgern, wird gern verschwiegen.
Marie Antoinette sah jedenfalls in allen Handlungen der "Kreatur", wie sie die Comtesse gern bezeichnete, einen Affront gegen ihre eigene Person. Mehr und mehr steigerte sich ihr Hass auf die Comtesse.
Es widerte Marie Antoinette an, dass Mme du Barry beim König freie Hand hatte, ja, dieser sogar Ratssitzungen in ihren Gemächern abhielt und alle Welt ihr zu Füßen lag.
Obendrein hatte Mme du Barry die Entscheidungsgewalt über die Bälle, die Theateraufführungen, aber auch über die Baumaßnahmen am Schloss und sogar über die Einrichtung der Gemächer der Dauphine.
Marie Antoinette war entsetzt über diese Dreistigkeit.
Als die Gräfin auch noch die Hochzeit des Comte de Provence ausrichten durfte, vermutete die Dauphine, dass Mme du Barry sich der zukünftigen Comtesse de Provence annehmen und sie gegen Marie Antoinette ausspielen will.
Am 11.05.1771 reiste die Hofgesellschaft nach Fontainebleau, wo man die junge Braut, die Princesse Marie-Joséphine de Savoie, empfing.
Drei Tage später, am 14.05.1771, fand schließlich die Hochzeit des Comte und der Comtesse de Provence statt.
Marie Antoinette empfand ihre neue Schwägerin zu Beginn nur als gewöhnlich, provinziell und gänzlich ohne Glanz und stellte beruhigt fest, dass diese keinesfalls als Rivalin für sie gelten könne.
Nach und nach jedoch begann die Dauphine, die Comtesse de Provence zu mögen und lobte ihre Sanftheit und Fröhlichkeit.
Marie Antoinette zog sogar die Gesellschaft ihrer Schwägerin der der Tanten vor.
Enttäuscht war die Dauphine jedoch von dem wankelmütigen und hin und wieder falschem Wesen der Prinzessin, die sich alles von ihrem plumpen Gatten vorschreiben ließ.
So kam es, dass die Comtesse de Provence, die im Oktober 1771 an den Blattern erkrankte und sich in La Muette erholte, dort am 20.11.1771 ein Fest veranstaltete, bei dem in einer Komödienaufführung die Vorzüge der Gräfin du Barry gerühmt wurden.
Obendrein empfing die Comtesse de Provence die Mätresse auf Anraten ihres Ehegatten besonders herzlich.
Von da an wusste Marie Antoinette, dass sie sich vor ihrem Schwager und seiner Frau in Acht nehmen muss, die offensichtlich nun der Partei der du Barry angehörten.
Da es der Comtesse du Barry nicht erlaubt war, Marie Antoinette - die ranghöchste Dame des Hofes - anzusprechen, war sie darauf angewiesen, dass die Dauphine das Wort zuerst an sie richtet und sie damit anerkennt. Doch Antoinette weigerte sich beharrlich, ihr diesen Gefallen zu tun.
Es folgten mehrere tränenreiche Beschwerden seitens der du Barry an ihren königlichen Geliebten. Und dieser wiederrum, der sich auf seine alten Tage nichts sehnlicher als Ruhe und Frieden wünschte, trug der sturen Dauphine daher genervt auf, sie solle der du Barry weniger kühl begegnen und sie endlich ansprechen.
Da Papa Roi stets so gütig zu ihr war und sie ihn zu sehr liebte, als dass sie ihn verärgern wollte, beschloss Marie Antoinette im August 1771 schließlich, ein paar Worte an die Comtesse du Barry zu richten. Die Töchter des Königs kochten vor Wut, doch diesmal weigerte sich die Dauphine, ihnen zu gehorchen.
Am 11.08.1771, beim Jeu-du-Roi, sollte der Moment kommen und Comte de Mercy bereitete die allesbedeutende Begegnung der Dauphine mit der Favoritin des Königs vor.
Doch kurz bevor Marie Antoinette mit Mme du Barry sprechen konnte, ging plötzlich Mme Adélaïde dazwischen, beteuerte, es sei Zeit, sich zurückzuziehen, da der König bei Mme Victoire auf sie warte, und zog die Dauphine mit sich aus dem Saal.
Natürlich war dies alles nur ein Vorwand der Tanten und der König wartete keinesfalls in Mme Victoires Zimmer.
Marie Antoinette empfand diesen Vorfall als sehr unangenehm und unglücklich.
Die Situation wurde zudem immer brisanter. Comte de Mercy befürchtete schon Zwistigkeiten zwischen Frankreich und Österreich, wenn die Dauphine weiter diese ablehnende Haltung gegenüber der Favoritin einnehmen würde.
Auch von Maria Theresia, ihrer frommen Mutter, erhielt Marie Antoinette am 10.10.1771 eine Rüge. Es ginge hier schließlich um das Wohl zweier Völker und sie - Marie Antoinette - würde dieses Wohl aufs Spiel setzen, wenn sie ihren Herrn, den König, verärgere.
Welch ein Schock muss es für die knapp 16-Jährige gewesen sein, als ihre Mutter, die die Mätressenwirtschaft so verabscheute und ihrer Tochter stets riet, sich nicht mit "niederen" Leuten zu umgeben, ihr nun befahl, die Dirne des Königs zu würdigen.
Die Dauphine wollte jedoch keinesfalls einen Zwist zwischen ihrem Heimatland und ihrer geliebten neuen Heimat verursachen. Noch ferner lag ihr die Verärgerung des so gütigen Königs. Und so wurde vereinbart, dass die Dauphine beim Neujahrsempfang 1772 mit Mme du Barry spricht.
Am 01.01.1772 wandte sich Marie Antoinette also endlich an die Comtesse du Barry, mit den Worten: "Es sind heute viele Leute hier in Versailles."
Oft wird behauptet, dies seien die ersten und letzten Worte gewesen, die Marie Antoinette je an die Favoritin richtete, doch dem war nicht so:
Als Österreich 1772 Polen besetzte und nicht abzusehen war, auf welche Seite sich Frankreich stellen würde, bekam die Dauphine plötzlich erstmals eine große politische Rolle zugeschrieben. An ihrem Verhalten dem König gegenüber könnte dessen Wohlwollen in Bezug auf Österreich hängen. Und so sah sich Marie Antoinette gezwungen, auch weiterhin der Favoritin gegenüber freundlich gesinnt zu sein.
Am 27.07.1772 z.B. sprach die Dauphine mit Madame du Barry nach der Messe kurz über das Wetter und die Jagd. Ebenso am 27.10.1772.
Wenngleich diese kurzen Konversationen nur Belangloses enthielten, machten sie die du Barry und damit auch den König glücklich.
Nichtsdestotrotz hielt Marie Antoinette ihren Hass auf die Favoritin aufrecht, jedoch zeigte sie ihn nicht mehr öffentlich.
Allerdings sah sie sich am 12.04.1773 gezwungen, in Bezug auf die Comtesse eine Beschwerde beim König einzulegen:
Bei einem Spaziergang mit ihrer Schwägerin, der Comtesse de Provence, wurde direkt über den beiden Damen, aus einem Fenster der Appartemens der du Barry, ein Eimer voller Wasser ausgeschüttet. Die beiden Prinzessinnen wurden völlig nass.
Wütend über diese Schmähung wandte sich die Dauphine an den König:
"Sehen Sie, Papa, welchen Dingen man ausgesetzt ist, wenn man unter Ihren Fenstern vorbeigeht ! Sie sollten wohl mehr Ordnung bei sich schaffen !"
Inwiefern Madame du Barry an dieser Schmähung die Schuld trug, ist leider nicht bekannt.
Man kann der Favoritin jedoch nicht vorwerfen, nicht auch einen Schritt in die Richtung der Dauphine gewagt zu haben:
Am 16.12.1773 ließ die Comtesse der Dauphine die Nachricht übermitteln, dass sie ihr gern ein paar Diamantohrringe zukommen lassen möchte.
Marie Antoinette war hierüber entsetzt. Sie vermied zwar verletzende Bemerkungen, machte allerdings deutlich, dass sie keine Gunstbeweise der du Barry annehme - sie habe bereits genug Schmuck...
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