1792-07-25 Braunschweig

25.07.1792
Das Manifest des Herzogs von Braunschweig



"Ihre Majestäten der Kaiser von Österreich und der König von Preußen haben mir den Oberbefehl über ihre an der Grenze Frankreichs vereinigten Heere übertragen; ich will also den Bewohnern dieses Königreichs die Gründe angeben, welche diese beiden Fürsten zu ihren Maßregeln bestimmt haben, und die Absichten, welche sie verfolgen.

Diejenigen, welche sich die Regierung in Frankreich angemaßt haben, sind, nachdem sie die Rechte und Besitzungen der deutschen Fürsten im Elsaß und in Lothringen diesen willkürlich entrissen; nachdem sie im Innern die gute Ordnung und die rechtmäßige Regierung gestört und umgestürzt und nachdem sie gegen die geheiligte Person des Königs und seiner erlauchten Familie Gewalttätigkeiten begangen haben, die sich noch täglich erneuern, endlich so weit gegangen, dass sie Sr. Majestät dem Kaiser einen ungerechten Krieg erklärten und in seine niederländischen Provinzen einfielen; einige andere Provinzen des deutschen Reichs hatten unter derselben Ungerechtigkeit zu leiden; und mehrere andere sind der dringendsten Gefahr nur dadurch entgangen, dass sie den Drohungen der herrschenden Partei und ihrer Abgesandten nachgaben.

Se. Majestät der König von Preußen, mit Sr. kaiserl. Majestät durch ein enges Schutzbündnis vereinigt, und selbst ein mächtiges Mitglied des deutschen Reiches, konnten somit nicht unterlassen, seinem Verbündeten und seinen Mitständen zu Hilfe zu ziehen; aus diesem doppelten Grunde übernimmt Se. Majestät die Verteidigung des Kaisers von Deutschland. Diesem großen Interesse schließt sich noch ein gleich wichtiger Zweck an, welcher den beiden Monarchen sehr am Herzen liegt, nämlich der, der Gesetzlosigkeit im Innern Frankreichs ein Ende zu machen, die Angriffe auf Thron und Altar aufzuhalten, die gesetzliche Gewalt wieder aufzurichten, dem Könige seine Freiheit und Sicherheit wieder zu erstatten, und ihn in den Stand zu setzen, die gesetzmäßig ihm zukommende Gewalt auszuüben.

Überzeugt, dass der gesunde Teil des französischen Volks die Ausschweifungen der herrschenden Partei verabscheut, und dass der größere Teil der Bewohner mit Ungeduld den Augenblick der Hilfe erwartet, um sich offen gegen die verhaßten Maßregeln seiner Unterdrücker zu erklären, fordern Ihre Majestäten dieselben auf, ohne Verzug zur Vernunft, zur Gerechtigkeit, zur Ordnung und zum Frieden zurückzukehren. In dieser Hinsicht erklärt der Unterzeichnete, Oberbefehlshaber der verbündeten Heere, folgendes:

1. Dass die beiden verbündeten Höfe durch unwiderstehliche Gründe zu dem gegenwärtigen Kriege bewogen wurden, dass sie dadurch nur das Heil Frankreichs beabsichtigen, aber keineswegs sich durch Eroberungen bereichern wollen;

2. Dass sie nicht die Absicht haben, sich in die innere Regierung Frankreichs zu mischen; sondern dass sie nur den König, die Königin und die königliche Familie aus der Gefangenschaft befreien, und Sr. allerchristlichsten Majestät die Mittel verschaffen wollen, ohne Gefahr und Hindernis die Einberufungen vorzunehmen, die sie für notwendig finden sollte, um für das Wohl ihres Volkes nach den Versprechungen und so viel von ihr abhängen wird, zu arbeiten;

3. Dass die verbündeten Heere die Städte, Märkte und Dörfer, auch die Personen und Güter derer, welche sich dem Könige unterwerfen werden, beschützen, und dass sie zur unmittelbaren Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung und Polizei in ganz Frankreich beitragen werden;

[...]

5. dass die Generale, Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten des französischen Linienheers ebenfalls aufgefordert sind, zu ihrer alten Treue zurückzukehren, und sich auf der Stelle dem König, ihrem rechtmäßigen Fürsten, zu unterwerfen;

6. dass die Mitglieder der Verwaltungsbehörden, der Departements, der Bezirke und der Gemeinden gleichmäßig mit ihrem Leben und mit ihren Gütern zu stehen haben für alle Verbrechen, Brandstiftungen, Ermordungen, Plünderungen und Tätlichkeiten, welche sie in ihrem Gebiete zulassen, und nicht notorisch zu verhindern gesucht haben; daß sie weiterhin ihre Stellen noch ferner zu bekleiden haben, bis Seine allerchristlichste Majestät nach Seiner Befreiung andere Befehle erteilt haben wird, oder bis in Seinem Namen anders verordnet werden wird;

7. dass die Bewohner von Städten, Marktflecken und Dörfern, welche es wagen sollten, sich gegen die Heere Ihrer Majestäten zu verteidigen, und auf dieselben entweder im offenen Felde oder aus den Fenstern, Türen oder andern Öffnungen ihrer Häuser zu schießen, sogleich nach der ganzen Strenge des Kriegsrechts bestraft und ihre Wohnungen zerstört oder angezündet werden sollen. Alle Bewohner der besagten Städte, Marktflecken und Dörfer dagegen, welche sich beeilen werden, sich ihrem Könige zu unterwerfen und ihre Tore den verbündeten Truppen zu öffnen, werden sogleich unter den unmittelbaren Schutz derselben gestellt, ihre Personen, ihre Güter und Habseligkeiten werden unter dem Gesetze stehen, und es wird für die allgemeine Sicherheit aller und der einzelnen gesorgt werden;

8. die Stadt Paris und alle ihre Bewohner ohne Unterschied sind schuldig, sich sogleich ihrem König zu unterwerfen, ihn in volle Freiheit zu setzen, und ihm, so wie allen Mitgliedern seiner Familie, die Unverletzlichkeit und die Achtung zu versichern, auf welche nach dem Vernunft- und Völkerrechte die Fürsten gegenüber von ihren Untertanen Anspruch zu machen haben. Ihre Majestäten machen alle Mitglieder der Nationalversammlung, des Departements, der Bezirke und des Gemeinderats, alle Friedensrichter von Paris und wen es sonst betreffen mag, persönlich bei ihrem Leben und bei Strafe, vor einem Kriegsgerichte ohne Hoffnung auf Begnadigung verurteilt zu werden, verantwortlich für alle Vorfälle. Ihre Majestäten erklären ferner auf Ihr kaiserliches und königliches Ehrenwort, dass, wenn das Schloß der Tuilerien gestürmt oder sonst verletzt, wenn die mindeste Beleidigung dem Könige, der Königin und der ganzen königlichen Familie zugefügt, nicht unmittelbar für ihre Sicherheit, ihr Leben und ihre Freiheit gesorgt wird, sie eine beispiellose und für alle Zeiten denkwürdige Rache nehmen und die Stadt Paris einer militärischen Exekution und einem gänzlichen Ruine preisgeben, die Verbrecher selbst aber dem verdienten Tode überliefern werden. Ihre Majestäten versprechen dagegen den Einwohnern von Paris ihre Verwendung bei Sr. allerchristlichsten Majestät, um ihnen Begnadigung für ihre Fehler und Irrtümer zu verschaffen und die kräftigsten Maßregeln zu nehmen, um ihre Personen und Güter zu sichern, wenn sie die obige Aufforderung schnell befolgen werden.

[...]

Gegeben im Hauptquartier Koblenz am 25. Juli 1792
Unterzeichnet: Karl Wilhelm Ferdinand
Herzog von Braunschweig-Lüneburg



zum MarieAntoinette-Forum


rechtlicher Hinweis:
Texte (Copyright) © MariaAntonia 2008-2017

Nach oben