10-3 Tuileriensturm2

Kapitel 10.3
Zweiter Tuileriensturm



In dieser unsicheren Zeit wurde nun am 25. Juli 1792 das Manifest des Herzogs von Braunschweig, Oberbefehlshaber der preußischen und österreichischen Truppen, veröffentlicht und am 1. August in Paris bekanntgegeben. Darin wurde - mit Blick auf das Ziel, die königliche Familie aus der Gefangenschaft zu befreien und Louis XVI in seine angestammten Rechte wiedereinzusetzen - zu widerstandsloser Unterwerfung der französischen Truppen und Bevölkerung aufgerufen. Wo immer dagegen eine Verteidigung stattfände, drohte das Manifest mit Wohnungszerstörung und Niederbrennen. Paris wurde speziell hervorgehoben und allen irgendwie politisch Verantwortlichen der Stadt wurde bei Widersetzlichkeit Kriegsgericht und Todesstrafe in Aussicht gestellt.

Die beabsichtigte Wirkung dieser Proklamation verkehrte sich allerdings verheerend ins Gegenteil - die Pariser Bevölkerung sah sich hierin aufs Äußerste gereizt.
Beinahe täglich fanden vor den Tuilerien Aufmärsche und Proteste statt. Offen drohte man, den Palast mit Gewalt zu stürmen, um sich des Königs zu bemächtigen.
Die Pariser Sektionen setzten der Nationalversammlung eine Frist bis zum 09.08.1792, um ihrem Gesuch zur Absetzung des Königs zuzustimmen. Doch am 9. August 1792 hatte die Nationalversammlung immer noch keinen entsprechenden Beschluss zustande gebracht.

In der Nacht zum 10. August 1792 läuteten die Pariser Glocken Sturm.
Im Rathaus wurde die sog. commune insurrectionelle ("aufständische Kommune") von den radikalen Sektionen gegründet und Danton ließ 80.000 Patronen an die Bürger verteilen. Gewaltsam wollte man die Legislative zur Absetzung des Königs und zur Verfassungsreform zwingen.

Wegen der Unruhen in Paris erhielt die Schweizergarde bereits am 04.08.1792 den Befehl, aus ihrer Kaserne zu den Tuilerien zu ziehen. Wenig später ließ man sie jedoch wieder abrücken. Unter dem offenbaren Vorwand, eine mögliche Flucht des Königs nach England vorzubereiten, wurden am 07.08.1792 300 Gardisten in die Normandie entsandt - die Garde vor Ort in Paris zählte damit nur noch 900 Mann.
Die Schweizergarde war des Königs verlässlichster Schutz. Als Kommandant der Schweizergarden amtierte eigentlich der Comte d'Artois, der Bruder des Königs. Da dieser jedoch ins Ausland geflohen war, vertrat ihn sein Stellvertreter, Generalleutnant Louis Augustin d'Affry (1713-1793) aus Freiburg - ein politischer Gegner der Königin. Wohl aufgrund des schlechten Verhältnisses zu Marie Antoinette, übergab der Comte d'Affry im August 1792 das Kommando über die Schweizergarde "aus gesundheitlichen Gründen" im Tuilerienpalast an den Obersten de Maillardoz.
De Maillardoz wurde allerdings schon vor dem Beginn der Erstürmung bei der Eskorte des Königs in die Reitschule dort festgesetzt, so dass die eigentliche Verteidigung der Tuilerien am 10. August 1792 schließlich bei Hauptmann Jost Dürler aus Luzern lag.

Am 8. August erfolgte erneut der Befehl an die vier Bataillone der Garde, sich an den Tuilerien einzufinden. Gegen drei Uhr morgens am Folgetag erreichten etwa 1.000 Mann der Schweizergarde den Palast zum Schutze des Königs.
Zusätzlich trafen in der Nacht vom 9. auf den 10. August auf Befehl der Nationalversammlung 2.000 Mann der Nationalgarde im Palast ein - wobei jedoch deren Loyalität zur Krone nicht als sicher galt. Überdies waren die Nationalgardisten nicht ausreichend mit Patronen versorgt, als die Nachricht über den Aufruhr in der Stadt zum Palast drang.
Neben den Königlichen Truppen fanden sich zudem einige Adlige im Palast ein, um den König zu beschützen.

Während der Nacht, gegen elf Uhr, ging die Nachricht um, gegen Mitternacht plane die Kommune den Angriff auf die Tuilerien, um den König als Geisel nach Vincennes zu verschleppen - Paris sollte vor dem Sturm der ausländischen Truppen geschützt werden.
Doch erst morgens um 6 Uhr rückten die Aufständischen in die Stadt vor.
Unter einem Vorwand wurde der Marquis de Mandat, Kommandant der Nationalgarde, aus dem Palast zum Hôtel de Ville gelockt, dort von den Aufständischen ermordet und durch einen Jakobiner ersetzt.

Louis XVI, sich der ernsten Lage bewusst, zeigte sich bei seinen Gardetruppen.
Doch während die Schweizergarde dem König durch "Vive le Roi!"-Rufe ihre Loyalität zeigten, begrüßte ein Großteil Nationalgarde den König demonstrativ mit "Vive la Nation!", wandte sich von Seiner Majestät ab und verließ die Tuilerien gegen 7 Uhr.
Zur gleichen Zeit bat der Girondist Pierre-Louis Roederer (Abgesandter der Gesetzgebenden Nationalversammlung) den König, in den Räumlichkeiten des Parlaments in der benachbarten Salle du Manège Schutz zu suchen.
Bereits in der Nacht vom 9. zum 10. August bereitete man sich darauf vor, die Tuilerien zu verlassen und Schutz in den Reihen der Nationalversammlung zu suchen.
Nur wenige durften die Königsfamilie auf deren Weg zur Nationalversammlung begleiten. Unter ihnen waren auch die Princesse de Lamballe sowie die Madame de Tourzel, Erzieherin der Königskinder.
Madame de Tourzel musste ihre eigene Tochter Pauline in den Tuilerien zurücklassen. Madame de Rambaud, die Gouvernante des Dauphins, und Monsieur Cléry, der Kammerdiener des Dauphins, blieben ebenfalls zurück und sahen sich bald größter Lebensgefahr ausgesetzt.

Da der König mit seiner Familie den Palast tatsächlich verließ, räumten auch die letzten Nationalgardisten die Tuilerien.
Zwei Bataillone Nationalgarden und 150 Mann der Schweizergarde begleiteten den König in die Reitschule, wo die Offiziere und einige Soldaten festgesetzt wurden.
Die restlichen 750 Gardisten und etwa 200 französischen Adlige zogen sich ins Gebäude zurück, als der Pöbel in den Schlosshof eindrang.
Nur etwa 1.000 Verteidiger befanden sich nun im Palast und in der Schlosskapelle und standen einem wütenden Mob aus 100.000 Menschen gegenüber.
Die Menge versuchte vergeblich, die Garde zum Übertritt auf ihre Seite zu überreden und verlangte die Übergabe des Palastes. Aus bislang ungeklärten Gründen kam es nach diversen Provokationen schlussendlich zur Eskalation.
Die Aufständischen eröffneten den Angriff, doch gelang es den Verteidigern zunächst, die schlecht organisierte Menge aus dem Schlosshof hinaus in die Gassen zu drängen und sich einiger Kanonen und Munition zu bemächtigen.

In den Sälen der Nationalversammlung waren die Geschütze zu hören und Louis XVI musste den Befehl des Rückzugs der Garde zur Nationalversammlung unterzeichnen. Doch drang der Befehl nicht zu allen Teilen der Garde durch. Die zurückgebliebenen 450 Gardisten kämpften in den Tuilerien weiter um jeden Saal und setzten dem Mob böse zu.

Gefechte beim 2. Tuileriensturm am 10.08.1792 (1793, Jean Duplessi-Bertaux)

Dennoch waren sie der wütenden Menge chancenlos ausgeliefert und wurden auf brutalste Weise niedergemetzelt. Nach dem Ende der Gefechte entlud sich der Volkszorn und vernichtete die komplette Innenausstattung des Tuilerienpalastes. Man flutete sogar die Kellergewölben, weil man glaubte, dort würden sich noch Schweizer verstecken.
Die, die lebend in Gefangenschaft gerieten, wurden auf dem Weg ins Gefängnis ebenfalls von der Menge umgebracht.
Ein Teil der Garde schlug sich bis zur Nationalversammlung durch und erhielt dort vom König den Befehl, die Waffen niederzulegen und sich in die Kaserne zurückzuziehen. Da die Kaserne mittlerweile jedoch geplündert und angezündet worden war, wurden die etwa 150 Soldaten in der Kirche des Feuillantenklosters eingeschlossen.
Insgesamt gelang es 17 Offizieren sowie 200 Unteroffizieren und Soldaten, aus Paris zu entkommen. Sie verdankten ihr Leben beherzten Parisern, die ihnen zur Flucht verhalfen.

Im Kreise der Nationalversammlung befand sich die Königsfamilie in Sicherheit und solange der Kampf um die Tuilerien nicht entschieden war, wurde Louis XVI von der Nationalversammlung weiter als König behandelt.
Unter dem Druck des aufgebrachten Volkes beschloss die Versammlung nach dem Sieg der Aufständischen jedoch die vorläufige Absetzung des Königs und seine Inhaftierung.
Der König war gestürzt !

Da die Tuilerien seit ihrer Verwüstung unbewohnbar waren, musste eine neue Unterkunft für die abgesetzte Königsfamilie gefunden werden. Bis man sich über einen geeigneten Ort einig war, wurde die Königsfamilie im ehemaligen Kloster der Feuillants in der Rue Saint-Honoré untergebracht.
Die Unterkunft im Kloster war mehr als bescheiden, viel zu eng, zudem schmutzig und lediglich mit Pritschen zum Schlafen ausgestattet. Zudem hatten Antoinette und ihre Familie nicht genug Kleidung zur Verfügung, da sie alles in den Tuilerien zurücklassen mussten.
Die Ehefrau des Schreibers der Nationalversammlung sowie einige andere wohlmeindende Leute versorgten die Inhaftierten kurzfristig mit Kleidung und Nahrung.


 



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